Flagge von Rußland

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(c) 1992 Oliver Bonten

Nje Probljem, Graniza

Nicht weit von Moskau hatten unsere Freunde und Helfer, die GAIer, eine Straßensperre aufgebaut, und als gesetzestreue Fahrer haben wir natürlich angehalten. Die GAIer wollten aber nicht etwa Pässe oder Führerscheine kontrollieren, nein, sie wollten uns ihren Koppel (Gürtelschnalle mit Stern und "CCCP") als Souvenir verkaufen. Andere Uniformteile hätten auch zur Disposition gestanden. Als ich darauf hinwies, daß man solche Teile vielleicht nicht ausführen dürfe, meinte er nur "Nje Probljem, Graniza!". Wir haben trotzdem darauf verzichtet, Koppel, Mütze oder sonstwas zu kaufen.

Ein paar Dutzend Kilometer weiter gab es noch eine Straßensperre, die wir aber passieren konnten. Am frühen Morgen hätten wir uns beinahe Ärger eingehandelt. Ich schlief in 17, Lars fuhr, und ich wachte auf, weil wir anhielten weil Alexander am Steuer von 16 durch Blinkzeichen angedeutet hatte, daß wir dies tun sollten. Wir standen etwa einen halben Kilometer von einer GAI-Station entfernt, und Alexander kam ganz aufgeregt an. Wir waren kilometerweit mit Blaulicht gefahren, ohne es gemerkt zu haben, und haben auch Alexanders vorherige Aufforderungen, anzuhalten, übersehen. Weiß der Geier, wie das passieren kann. Der Schalter sieht aus wie einer für ein Warnblinklicht und blinkt rot, wenn das Blaulicht an ist, aber das Blechschild "An-Aus" verschiebt sich schonmal, und im Sonnenlicht ist das blinken der Kontrolleuchte schwer zu sehen.

In der Minsker Gegend bin ich auf die russischen Wegweiser reingefallen, bei denen nicht klar erkennbar ist, für welchen der angegebenen Orte man abbiegen muß und für welchen nicht. Ich glaube, die Regel ist, alles fettgedruckte geht geradeaus, alles andere biegt ab. Unterwegs haben wir unsere letzten Gutscheine vertankt und wollten in Brest noch einmal auffüllen. Wir sind zunächst zum PKW-Übergang gefahren, weil wir den benutzen durften, aber die Tankstelle dort wollte Gutscheine. Ein PKW-Fahrer war dann bereit, uns den Weg zu einer Bargeld-Tankstelle zu zeigen und wir sind durch Brest gekurvt, ihm hinterher. Die Tankstelle, zu der er uns führte, lag an der Straße zum LKW-Übergang, und deshalb haben wir den benutzt. Dort stand ein blaues Schild: "Hilfstransporte dürfen ohne Anstellen durchfahren", und das haben wir, wenn auch grammatisch korrekt, getan. Wir waren am Freitag abend gegen halb sieben an der Grenze, und sie schien langsam zu schließen. Wir wurden allerdings sehr zügig abgefertigt, nach einem kleinen Blick in Pässe und Laderaum. Im Grenzposten war ein Laden, bei dem wir unsere letzten Rubel zu verpulvern hofften, aber sinnigerweise konnte man da nur mit Devisen einkaufen.

Auf der polnischen Seite ging es allerdings weniger zügig. Als wir ankamen, begannen die zuständigen Beamten gerade, Pause zu machen. Nach der Pause war Wachwechsel und keiner wollte uns sagen, an wen wir uns wenden mußten. Mit einer Tafel Schokolade haben wir schließlich einen Beamten bestochen, uns zum richtigen Mann zu führen. Bei der Warterei haben wir übrigens eine Gruppe von Amish people aus den USA getroffen, deutsch- und polnischstämmige Männer, allesamt mit Uncle-Sam-Bart (siehe Lincoln), die Nahrungsmittel und andere Hilfgüter nach Polen und Rußland transportieren. Ein wenig gewundert hat mich das schon, weil ich bislang dachte, Amish people würden nur mit Pferdewagen fahren, nicht mit Trucks. Nach mehr als einer Stunde Wartens wurden wir dann endlich abgefertigt und konnten Richtung Warschau abgurken. Auf der Rückfahrt sind wir durch Warschau gefahren, weil wir hofften, daß es in der Nacht nicht so viel Verkehr gibt und wir über breitere Straßen fahren. Leider hat uns die Beschilderung in Warschau einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Selbstmörderisches polnisches
	Rindvieh

Vor Warschau haben wir an einer lustigen Stelle Pause gemacht. In Polen ist es normal, daß Kühe nicht durch einen Zaun am Betreten der Straße gehindert werden, sondern ein Halsband tragen und gewissermaßen an einem Metallpflock angeleint werden. Vielleicht, weil Kleinbetriebe mit einer oder zwei Kühen normal in Polen sind. Jedenfalls war ein Exemplar dieser Gattung zu nahe an der Straße angepflockt worden und stand nun dauernd auf der Fahrbahn und glotzte die aus Rußland kommenden Autos an. Die machten eben einen Bogen um die Kuh. Plötzlich kamen aber Lastzüge auf beiden Fahrbahnen angerollt, und ich dachte schon, um die Kuh sei es geschehen, aber der Fahrer des einen Lastzugs betätigte kurz sein Horn. Ich weiß nicht ob einer von Euch schon einmal eine Stampede gesehen hat, aber seit dem Moment weiß ich, daß dazu eine Kuh genügt. Sie ist mit einem Riesensatz davongesprungen. Der LKW-Fahrer hat angehalten, den Pflock ausgegraben und weiter innen wieder befestigt. Jetzt konnte das Rindvieh (die Kuh, nicht der LKW-Fahrer) nicht mehr auf die Straße, aber in das Kornfeld.

Auf dem Weg nach Posen habe ich dann auch noch ein Verkehrsschild gerammt (vor einer Pause direkt daneben geparkt und es nachher vergessen...). Auch in Posen war es schwer, den richtigen Weg zur Grenze zu finden, aber das lag daran, wie wir uns angestellt haben, weil wir nach dem Grenzort Słubice gegenüber Frankfurt gesucht haben. Der Autobahnübergang heißt aber Swiecko, und der war gut ausgeschildert.

Bevölkerungswachstum in Polen

In einem Dorf auf dem Weg zur Grenze konnten wir Maßnahmen gegen den Bevölkerungsschwund in Polen bestaunen: auf einem Telefonmast, an dem sich zwei Leitungen kreuzten, nistete ein Storchenpaar, und einer der Störche fütterte gerade die Nachkommenschaft. Natürlich haben wir sofort angehalten und viele Fotos gemacht.

Nahe der Grenze haben wir aber nach Słubice gesucht, weil wir wieder über die Stadtbrücke nach Frankfurt fahren wollten. Das hat sich auch gelohnt: an der Grenze haben sie nur die Pässe der Leute in 17 sehen wollen, dann konnten wir ohne zu warten und ohne Formalitäten durchfahren - so als wäre man in Holland zum Kaffeekaufen gewesen. Nje Probljem, Graniza. Danach hatten wir wieder die schlechteste Strecke der Fahrt vor uns, und diesmal haben wir beschlossen, über Eisenach zu fahren. Die Autobahn war aber leider auch sehr hügelig, nur nicht ganz so schlimm wie im hessischen Knüllgebirge, und entweder sehr schlecht oder es war eine Baustelle. Die Hälfte der Strecke in Sachsen-Anhalt schien Baustelle zu sein, und der neue Belag ist auch nur Beton, allerdings fugenlos und ohne Schlaglöcher, aber lauter als Asphalt. Seitenstreifen gibt es in den NeBuLä fast gar nicht; da wo sie sind werden sie als Ausweichstrecke für die Baustellen benutzt. Kurz hinter Erfurt war auf der Gegenfahrbahn ein Unfall passiert: ein schwarzes Auto lag auf dem Dach auf der Straße und kein Rettungswagen war zu sehen. Bei der ersten Gelegenheit haben wir angehalten und Alexander, Lars und Christian sind mit unserem Erste-Hilfe-Koffer losgezogen. Nach einiger Zeit kamen auch Notarzt und Rettungswagen, ein Arzt war aber schon die ganze Zeit da, wohl einer der Autofahrer im Stau, also ohne Werkzeug. Der Fahrer des umgedrehten Wagens hat die Sache wohl überlebt, aber sein Wellensittich vielleicht nicht.

Bei Einbruch der Dunkelheit waren wir in der Gegend von Eisenach und haben einen Abstecher zur Wartburg gemacht, wo wir aus unseren Vorräten noch einmal gespeist haben. Danach sind wir nach Kaiserslautern zurückgefahren, wo wir am Sonntagmorgen angekommen sind. Unterwegs haben wir bei den Eltern von Alexanders Freundin ausgiebig gefrühstückt, und als wir dann in KL ankamen, hieß es: "Ihr werdet hungrig sein. Laßt uns erstmal ein gutes Frühstück auftreiben!"...



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Dieser Reisebericht ist im Juni/Juli 1992 im Mausnetz in der Gruppe FERNWEH veröffentlicht worden. Der Text ist unverändert, lediglich die Bilder sind neu hinzugekommen - das Mausnetz hat noch keine Bilder unterstützt. Der Bericht beschreibt Moskau im Jahre 1992. Vieles hat sich inzwischen verändert.

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