Flagge von Rußland

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(c) 1992 Oliver Bonten

COBTPAHCABTO

Fahrt durch
	Moskau

Montag morgen haben Alexander und Jegor herumtelefoniert und versucht, das Bodkin-Krankenhaus und die Delegation des DRK in Moskau zu erreichen. Die Leiterin des Krankenhauses war auch schnell erreicht, und sie versprach, sich um unsere Zollprobleme zu kümmern. (Wie ich schon in einem früheren Artikel geschrieben hatte, hat uns der Zoll an der Grenze falsche Papiere mitgegeben, was erst durch Jegors Übersetzung herauskam.) Der Moskauer Zoll weigerte sich jedenfalls, einen Abgesandten zum Krankenhaus zu schicken, der den Entladevorgang hätte überwachen können. Die Delegation des DRK sollte am Dienstag auf eine Inspektionsreise gehen, aber offenbar war sie schon am Sonntag aufgebrochen, jedenfalls haben wir niemanden erreicht, nur einen Beamten von der EG-Nahrungsmittelhilfe. Demzufolge konnten wir auch unsere Autos nicht in Sicherheit bringen. Die Leute vom russischen roten Kreuz, die wir sprachen, machten jedenfalls nur sehr dubiose Vorschläge, und Jegor riet uns davon ab, darauf einzugehen. Einige Zeit später rief die Leiterin des Krankenhauses wieder an und berichtete, daß einer ihrer Mitarbeiter Beziehungen zu Leuten bei Sovtransauto, der staatlichen Spedition der ehemaligen SU, habe, und daß die auch eine Zollstelle haben. Dort sollten unsere Probleme gelöst werden. Zu dem Zweck trafen wir diesen Mitarbeiter des Krankenhauses, der uns dann in seinem kleinen schwarzen Schiguli vorausfuhr. Einschub: Ein Schiguli ist ein Lada, und warum die einen Schiguli heissen und die anderen Lada konnte mir Jegor nicht erklären. Es sei im wesentlichen dasselbe Auto. Beide haben auch das Lada-Emblem auf dem Kühler, das ein kleines Flußboot darstellt. Solche Boote verkehren auf der Wolga und heißen Ladja, und weil die Automobilfabrik an der Wolga ist, haben die Autos eben diesen Namen. Wir mußten ein gutes Stück durch Moskau fahren, was nicht ganz einfach war. Die Straßen sind nicht gut, und die Verkehrsverhältnisse teilweise chaotisch. Die Sovtransauto-Stelle lag ein kleines Stück außerhalb von Moskau. Unser Begleiter wußte aber auch nicht so genau, wo, und wir mußten daher auf der Autobahn die GAI fragen und dann wenden - direkt neben der Polizeistation. Am frühen Nachmittag hatten wir die Station erreicht. Ich erinnere mich noch, daß früher in der DDR alle Sovtransauto-LKWs in kyrillischer Schrift beschriftet waren. Inzwischen gibt es sehr viele lateinisch beschriftete Wagen. Bei Sovtransauto mußten wir eine gute Weile vor dem Tor warten, während Alexander und Jegor mit dem Mann vom Krankenhaus den Leuten klarzumachen versuchte, wozu wir hier waren. Dabei haben wir entdeckt, daß die kleinen Mercedessterne auf der Motorhaube nicht mehr da waren und einer der großen Sterne auf dem Kühlergrill locker war. Wahrscheinlich hatten Kinder die entfernt, als wir morgens kurz neben Jegors Wohnblock geparkt hatten. Dann sollten wir auf das Gelände fahren in den Ladebereich - und mußten wieder warten. Warten scheint in Rußland eine sehr normale Tätigkeit zu sein. Die Zollbeamten sind offenbar unsere Unterlagen sehr gründlich durchgegangen und danach wollte einer noch in die Autos hineinsehen und einer der Kartons mußte geöffnet werden - er enthielt Einwegspritzen. Dann bekamen wir unsere Stempel und die für die Ausreise nötigen Papiere. Danach sind wir dann zur Bodkin-Klinik gefahren, wo wir die Autos entladen haben - nicht ohne noch ein wenig warten zu müssen. Inzwischen war es kurz nach fünf. Es stellte sich heraus, daß unser Begleiter für die Zollabfertigung niemand anders war als der stellvertretende Leiter der Klinik, irgendein Professor. Die Güter wurden erst einmal in seinem Büro und in dem der Chefin zwischengelagert. Einer der Ärzte der Klinik sollte uns beim Ausladen helfen, aber er schien da wenig enthusiastisch zu sein. Nach dem Ausladen gab es noch Tee und Pfannkuchen. Gegen sieben waren wir fertig, sind nach Hause gefahren, und nach dem ausgiebigen Abendessen, das wir uns gekocht haben, war es zu spät, um noch irgendwas in Moskau zu unternehmen, denn nachts ist es wohl zu gefährlich.

Abliefern der Güter

Am nächsten Morgen wollten wir noch einmal zum Bodkin-Krankenhaus, um einmal eine Bescheinigung zu bekommen, daß wir die Sachen ordnungsgemäß abgeliefert haben, und um ein paar offizielle Fotos für eventuelle Veröffentlichungen zu machen. Leider haben wir an dem Morgen wegen eines Mißverständnisses völlig verschlafen und sind ziemlich spät beim Krankenhaus aufgetaucht. Die von uns gebrachten EKG-Geräte waren offenbar schon im Einsatz gewesen, die Ärzte waren wohl heilfroh, daß sie ihre uralten polnischen Geräte, die andauernd von den Ärzten selber repariert werden mußten, endgültig zum alten Eisen stecken konnten. Der Fototermin wurde dann etwas knapp. Danach fuhren wir dann zum Filatow-Kinderkrankenhaus, das einen Teil der von uns mitgebrachten Kinderkleidung bekommen hatte, um dort zu sehen, wie die Sachen verwendet werden. Die Leiterin erzählte uns, daß die Kleidung und die Spielsachen am "Tag der Medizin", dem 22.6., verteilt werden sollen und so lange versteckt bleiben. Jegor versprach uns, an diesem Tag hinzugehen und nachzusehen, ob auch alles ordnungsgemäß läuft. Das ist sehr wichtig bei solchen Hilfslieferungen, daß man sich vergewissert, wo die Sachen abgeblieben sind und wie sie verwendet werden, damit nicht die Versuchung aufkommt, die Güter hintenrum zu verkaufen oder privat zu verwenden. Organisationen, die regelmäßig solche Transporte machen, pflegen sich auch jedesmal zu erkundigen, wo die Geräte vom letzten Transport sind. Zunächst war die Dame vom Filatow-Hospital sehr kurz angebunden, denn sie hatte uns für den Vormittag erwartet und am Nachmittag wenig Zeit, aber dann wurden wir noch kurz durch eine der Stationen geführt, wo wir Fotos machen konnten und Süßigkeiten verteilen. Das sah natürlich ein bißchen wie im Busch aus. Mir ist aufgefallen, daß es auf den Stationen sehr viele Krankenschwestern gab: in jedem Zimmer lagen etwa 8 bis 10 Kinder, und es waren immer eine oder zwei Schwestern dabei, und dazu noch hin und wieder Eltern. Die andere Kinderklinik, die aus unserer Lieferung beschickt wurde, soll allerdings weniger gut ausgestattet sein, aber die wollte man uns wohl nicht zeigen.

Auf dem Rückweg vom Filatow-Hospital ist 16 auch noch das Benzin ausgegangen, während 17 mit den Reservekanistern vornewegbrauste. Es hat fünf oder zehn Minuten gedauert, bis wir hinten bemerkten, daß die anderen ein paar hundert Meter weiter vorne doch angehalten hatten. Sie sind dann rückwärts zu uns gestoßen und wir haben sicherheitshalber in jedes Auto einen Kanister gekippt. Dabei haben wir dann durch Erfahrung gelernt, daß Mercedes 508D selbstentlüftende Motoren haben - sehr angenehm, oder: "Very good car, Mercedes", wie Jegor sagt. Alexander hatte dann eine Verabredung mit einer Freundin in Moskau, Jegor eine Verabredung mit seiner Freundin, und wir anderen wollten uns mit Andrej die Stadt etwas näher ansehen.



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Dieser Reisebericht ist im Juni/Juli 1992 im Mausnetz in der Gruppe FERNWEH veröffentlicht worden. Der Text ist unverändert, lediglich die Bilder sind neu hinzugekommen - das Mausnetz hat noch keine Bilder unterstützt. Der Bericht beschreibt Moskau im Jahre 1992. Vieles hat sich inzwischen verändert.

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