Flagge von Rußland

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(c) 1992 Oliver Bonten

Durchs wilde GUSistan

"Rußland" ist natürlich ein weiter Begriff. Hat man ihn früher oft fälschlich für die gesamte Sowjetunion benutzt, so versteht man heute darunter oft nur die russische Föderation. In dem Sinne waren wir natürlich noch nicht in Rußland angekommen, sondern erst einmal in Weißrußland. Russen sind die Weißrussen und die Ukrainer aber allemal, und in dem Sinne besteht "Rußland" aus Weißrußland, der Ukraine und der russischen Föderation. Die Russen sind eben kein homogenes Volk, ebenso wie es in Bayern ja auch Nieder-, Ober- und Beutebayern gibt.

Auch die weißrussischen Sprache und Schrift sind etwas anders als in der RFR. Auffälligste Unterschiede sind, daß die Weißrussen ein I so schreiben wie wir und nicht als umgedrehtes N, wie es die anderen machen, und daß in vielen Worten ein A steht, wo in der RFR ein O geschrieben wird, beispielsweise bei der Stadt "Borisova", die weißrussisch "Barisova" geschrieben wird, oder bei "Moloko" für Milch (`A Clockwork Orange' läßt grüßen; wenn man das Buch gelesen hat, versteht man schon viel russisch), was "Malako" geschrieben wird. Ich vermute, der Grund dafür ist, daß im russischen ein unbetontes O als A ausgesprochen wird, beispielsweise in "Boris" oder in "Bolschoi" (das erste O). Oder in "Spasibo". Die wichtigsten Städte (Minsk, Smolensk, Moskau) sind meist in kyrillischer und lateinischer Schrift ausgeschildert, die anderen sind in Weißrußland in weiß- und hochrussischer (wenn man so sagen darf) Schreibweise geschrieben. Das stelle man sich mal auf bayerischen Autobahnen vor.

Autobahn in Rußland

An der Grenze hatten wir schon etwa 1300 bis 1400 Kilometer hinter uns und noch etwa 1100 vor uns. Die Grenzstadt auf russischer Seite ist Brest (oder Brjest), bekannt (oder auch nicht) durch den Frieden von Brest-Litowsk. Die Straße führt durch die Außenbezirke von Brest mit trostlosen Hochhaussiedlungen und sehr schlechten Straßen. Oberleitungsbusse bestimmen das Straßenbild. Hinter Brest wurde die Straße besser. Nach wie vor ist es aber größtenteils eine Betonstrecke, nur deutlich besser verfugt als eine gewisse Autobahn in Brandenburg. Bei der ersten Gelegenheit haben wir eine ausführliche Frühstückspause eingelegt, immerhin hatten wir in unserer Planung das Überqueren der Grenze erst für den späten Nachmittag geplant. Dann begann die Fahrt in Richtung Minsk. Von Brest bis in die Minsker Gegend ist die Straße eine "Autobahn", d.h., es gibt zwei getrennte Fahrbahnen mit zwei Fahrstreifen in jeder Richtung. Platz zum fahren ist also genug. Hin und wieder wird gebaut und es gibt eine Schotterstrecke als Behelfsautobahn, oder der gesamte Verkehr wird auf eine der beiden Fahrbahnen gelenkt. Manchmal gibt es einen Kilometer oder zwei mit fürchterlichen Schlaglöchern, dafür aber manchmal eine asphaltierte Strecke. Etwa alle 50-100 km steht eine Station der Verkehrspolizei (GAI, Gamma-A-umgedrehtes N), die immer lange im voraus angekündigt wird, und da muß man dann langsam fahren, damit die einen auch anhalten können. Wegen gewisser - wie soll man sagen - Verhaltenseigentümlichkeiten dieser Polizisten haben wir sie GAIer getauft. Dazu mehr an anderer Stelle.

Bald hatten wir uns auch das erste Mal verfahren: es war eine Straße nach Pinsk ausgeschildert, Erik fuhr und konnte keinen Buchstaben kyrillisch, ich schlief halb vor mich hin und verwechselte in der Eile M und P (Pi). Mit einigen waghalsigen Manövern gelang es uns aber wieder, auf die Autobahn zu kommen.

Tanken ...

Ein Stück später mußten wir tanken. Alexander wollte unbedingt gegen DM tanken, und das ging leider nicht so einfach. Die Tankstelle, die wir als erste anfuhren, nahm nur Coupons. Damit haben wir erst einmal ein paar Liter getankt, aber die teuren Coupons wollten wir nur nehmen, wenn es wirklich nicht anders ging. An der Tankstelle hielten auch zwei (ost-) deutsche Autos, deren Besatzung zumindenst teilweise aus Russen bestand, und die haben uns erzählt, daß das Tanken gegen Devisen nicht üblich sei. Aber ein gutes Stück weiter soll es eine Tankstelle geben, bei der man gegen Geld tanken kann, und vielleicht nähmen die auch Devisen. Dort sind wir dann auch hingefahren, nachdem uns ein anderes Schild erst zu einer reinen LPG-Tankstelle geführt hat. Der Tankwart erklärte sich schon bereit, gegen Devisen tanken zu lassen, aber er wollte keinen konkreten Preis nennen. Das war uns etwas zu dubios. Neben der Tankstelle hielt aber ein russisches Auto voller Reservekanister, und die boten uns an, für uns 120 Liter Diesel für 60 Mark zu tanken. Alexander hat sie dann auf 40 Mark und eine Tafel Schokolade (für solche Fälle hatten wir extra die billigste Schokolade von Aldi geladen) heruntergehandelt - der Benzinpreis betrug nämlich 19 Rubel pro Liter, so daß wir bei einem offiziellen Wechselkurs von 1:60 einen guten Preis bekommen haben, aber für die Russen ist das trotzdem ein gutes Geschäft, denn sie waren Ortsansässige und bekommen den Sprit für etwa 7 Rubel pro Liter. Es ist zwar streng verboten, dieses Benzin in Reservekanister zu tanken oder gar weiterzuverkaufen, scheint aber nicht überstreng kontrolliert zu werden. Tanken in Rußland geht übrigens so, daß man dem Tankwart sagt, wieviele Liter man haben möchte, bezahlt, und er dann die Zapfsäule für die entsprechende Menge freigibt.

Kurze Zeit darauf fuhr ein russisches Auto neben uns auf der linken Spur und der Beifahrer bot uns durchs Fenster allerlei Waren zum Verkauf an. Ähnliches passierte noch öfter.

Hinter Minsk wurde die Straße eine gewöhnliche Landstraße, aber mit viel Platz. Nach Einbruch der Dämmerung passierten wir die Grenze zur RFR, die wie eine Grenze bei uns aussah: zwei offene Schlagbäume und zwei Grenzbeamte, die in einem der Postenhäuschen Kaffee tranken.

Danach mußten wir noch einmal tanken, aber im Schutze der Nacht hatte der Tankwart offenbar überhaupt keine Hemmungen, Devisen zu nehmen, und wir haben 100 Liter für 20 Mark bekommen. Leider matscht man beim russichen Tanken doch sehr mit dem Diesel, die Zapfhähne sind sehr verschmutzt, ich war dran mit Tanken und diese Tankstelle hatte keinen Wasserhahn. Außerdem schlich da noch ein sehr aufdringlicher Souvenirverkäufer herum, der uns Wodka verkaufen wollte und meinte, in Moskau gäbe es vielleicht Probleme, daran zu kommen. Hatte der eine Ahnung! Es war ziemlich schwierig, diesen Menschen loszuwerden.

Im Morgengrauen hatte Alexander einen GAI-Posten übersehen und ist mit 70 oder mehr dadurchgerauscht. Die GAIer haben uns dann natürlich angehalten und zunächst etwas von "Schtraf, 300, DMark, Dollar" geredet. Dann kamen sie zur Sache: ob wir vielleicht Coca Cola hätten. Hatten wir nicht. Zigaretten? Ja, Gauloises. Wollten sie nicht, es mußten schon Marlboro sein. Souvenirs, also alle Arten von Aufklebern, Ansteckern etc., hätten sie auch gerne gehabt. Schokolade wollten sie nicht. Am Schluß haben wir sie mit einer Packung Müsliriegel abgespeist, dann konnten wir weiterfahren. Zwischen sieben und acht am Sonntagmorgen haben wir dann den Autobahnring Moskau erreicht und zunächst auf einer Art Rastplatz für LKWs (mit Hotel, Werkstatt und allem, was man so braucht) gehalten, weil wir uns da mit Alexanders Freund Jegor verabredet hatten. Alexander hat ihn dann angerufen (wozu er erst einmal ein Zweikopekenstück brauchte), und Jegor schien ziemlich aufgeregt zu sein, weil er erwartet hatte, daß wir ihn schon von Smolensk aus anrufen. Da waren wir aber mitten in der Nacht durchgefahren. Er wollte in einer Stunde da sein, hat aber ein gutes Stück länger gebraucht, weil die Batterie seines Autos hinüber war. Wir sind ihm dann zu seiner Wohnung gefolgt, so weit es ging über den Autobahnring, weil unsere Autos dort angeblich nicht so auffallen. Die Straßen in Moskau sind teilweise in einem katastrophalen Zustand. Auf dem Weg zu Jegors Wohnung mußten wir einmal wegen Bauarbeiten auf der Straße durch einen Häuserblock durchfahren. Außerdem kamen wir an einem stillgelegten Kombinat vorbei, in dem Baskin Roberts jetzt eine Eisfabrik baut.



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Dieser Reisebericht ist im Juni/Juli 1992 im Mausnetz in der Gruppe FERNWEH veröffentlicht worden. Der Text ist unverändert, lediglich die Bilder sind neu hinzugekommen - das Mausnetz hat noch keine Bilder unterstützt. Der Bericht beschreibt Moskau im Jahre 1992. Vieles hat sich inzwischen verändert.

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